Sie sind hier: Anfang - Start » Akupunktur » Pulsdiagnose

Akupunktur - Pulsdiagnose

Pierre-Auguste Renoir 143Unter der Diagnose durch Tasten (z.B. Bauchdiagnose, Meridianabtastung, Pulsdiagnose) nimmt das Ertasten von Körperpulsen eine wichtige Stellung ein. Es gibt mehrere Pulstaststellen am Körper, mit entsprechenden Aussagen über den Zustand von Körperenergien.

Die wichtigsten Pulstaststellen liegen jedoch an beiden Handgelenken. Die Pulsdiagnose ist eine Kunst, bei der man ein Leben lang hinzulernt. Hier kann und soll daher nur ein kurzer Überblick gegeben werden.

Die Pulstaststellen der Arteria radialis befinden sich an jeweils drei Stellen direkt oberhalb der linken und rechten Handgelenke (siehe Abbildung). Dort verläuft sowohl die Arteria radialis, als auch der Lungen-Meridian (jeweils links und rechts symmetrisch). Die Pulstaststellen liegen auf dem Lungenmeridian (d.h. Lungen-Hauptenergiebahn) in der Nähe der Akupunkturpunkte Lunge 7, Lunge 8 und Lunge 9. Die mittlere Position liegt bei einer Knochenerhöhung (Processus styloideus radii), die anderen beiden Positionen davor und danach (proximal und distal). Getastet werden die diese Pulsstellen mit dem Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger des Behandlers, und am besten gleichzeitig mit beiden Händen des Behandlers an allen sechs Pulstaststellen. An diesen Stellen wird die Pulswelle der Arteria radialis jeweils sowohl oberflächlich, als auch mitteltief und in der Tiefe getastet. Die Pulswelle ist zwar an allen Positionen gleich schnell, aber die Beschaffenheit der Pulswelle (ob stark oder schwach, ob rauh oder gleitend, ob oberflächlich oder tief, ob fadenförmig oder breit, ob schlüpfrig oder drahtig usw.) kann an den verschiedenen Taststellen sehr unterschiedlich sein und spiegelt die Beschaffenheit der Lebenskraft in den zugeordneten Funktionskreisen wider. Der oberflächliche Anteil der tastbaren Pulswelle spiegelt nach heutiger Auffassung die Energie der Hohlorgane (Yang) Dickdarm, Magen, Dreifacher-Erwärmer, Dünndarm, Gallenblase und Blase wieder, der tiefe Anteil der tastbaren Pulswelle die Energie der Speicherorgane (Yin) Lunge, Milz, ("Feuer-") Niere, Herz, Leber und ("Wasser-") Niere. (Je nach Schule können dabei bei der Position der Hohlorgane verschiedene Varianten gelehrt werden). Zudem spiegeln die Positionen für Herz und Lunge die Energie des sog. oberen Dreifachen-Erwärmers, die Positionen für Leber und Milz die Energie des mittleren Dreifachen-Erwärmers und die Position für Wasser-Niere (Yin) und Feuer-Niere (Yang) die Energie des unteren Dreifachen-Erwärmers wider. Der Dreifache-Erwärmer kann als ein Energieverteilungs- und Energieumwandlunssystem ohne anatomisches Korrelat betrachtet werden.


Die Pulstaststellen der Arteria radialis am Handgelenk

Pulsdiagnose


Linker Arm des Patienten, oberflächlich  Linker Arm des Patienten, in der Tiefe Rechter Arm des Patienten, oberflächlich Rechter Arm des Patienten, in der Tiefe
Zeigefinger des Behandlers (dem Handgelenk am nächsten)  Dünndarm (Perikard) Herz  Dickdarm (Thorax)  Lunge
Mittelfinger des Behandlers Gallenblase  Leber Magen  Milz
Ringfinger des Behandlers (dem Handgelenk am fernsten)  Blase (u. Dickdarm)  Niere (Yin)  Dreifacher-Erwärmer (u. Dünndarm)  Niere (Yang) 

Vorteile der Pulsdiagnose:

Etwaige Änderungen in der Beschaffenheit der Lebensenergie spiegeln sich sofort an den zugeordneten Pulstaststellen als Änderung der Quantität und Qualität der Pulswelle wider. Es kann daher vor, während und nach der Behandlung eine energetische Diagnose gestellt werden, z.B. auch ob die Behandlung eine erwünschte Änderung in der Verteilung der Lebenskraft erreicht hat. Da der Patient bei jeder Akupunktursitzung in einem anderen Zustand ist (andere Einwirkung der Lebensumstände, andere Tageszeit, anderes Wetter, andere seelische und körperliche Einflüsse) kann und soll mit der Pulsdiagnose der genaue energetische Zustand des Patienten zum Zeitpunkt der Behandlung erfasst werden, damit dann die Punktekombination, die Stichtechniken und die Art der Nadelmanipulationen und die Moxibustion (Energiezufuhr der Punkte durch Erhitzen) genau diesem individuellen energetischen Zustand des Patienten angepasst werden können.

Selbst bei Symptomenfreiheit kann festgestellt werden, welche Funktionskreise für eine vorbeugende Behandlung gestützt werden müssen, d.h. wo die momentan schwächste Stelle im System ist.

Bei einer Behandlung, die sich streng am Pulsbild (und Zungenbild) orientiert, können auch öfters über die Harmonisierung des gesamten Grundgefüges Symtpome geheilt werden, von denen der Behandler gar nichts wusste.

Nachteile und Probleme bei der Pulsdiagnose:

Auch bei korrekter Durchführung der Pulsdiagnose, bei der einiges beachtet werden muss, bieten sich auch dem geübten Behandler zeitweise Schwierigkeiten. Die Pulse spiegeln eine Mischung zwischen gesunden und kranken Energien wider. Eine Anhäufung von kranker Energie kann daher als ausreichende Menge gesunder Energie evtl. fehlinterpretiert werden.

Die Pulse zeigen nur die Beschaffenheit der sogenannten "Betriebsenergie", die mehr für normale Krankheiten und das momentane Befinden maßgeblich ist. Eine sehr große Erschöpfung auf einer sehr tiefen Energieebene (z.B. bei gefährlichen chronischen Erkrankungen) kann evtl. nicht ohne weiteres über die Pulsdiagnose festgestellt werden. Es gilt die Regel, dass es für die Prognose einer Krankheit ungünstig ist, falls das Pulsbild den sonstigen Symptomen dieser Krankheit widerspricht.

Da die Pulsdiagnose nur den gegenwärtigen Energiezustand erkennen lässt (was allerdings unendlich viel wert ist!), der Behandler aber nicht weiss, wie lange diese Energieverteilung schon bestanden hat, sollten bei der Beurteilung auch noch andere Diagnoseformen und Informationen (Zungendiagnose, klinisches Wissen um die Krankheit, materieller Zustand der betroffenen Gewebe, die Symptomatik usw.) berücksichtigt werden. Aus diesem Grund kann die Pulsdiagnose auch "nur" Aufschluss über den derzeitigen energetischen Zustand geben, nicht jedoch, ob sich schon ein materielles Korrelat (Gewebsveränderungen, Tumore, Arthrosen) gebildet hat.